22 Kryptologie (= Kryptographie + Kryptoanalyse)
22.1 Kryptologie, historische Randnotizen
 

 

Simon Singh: Geheime Botschaften 
Broschiert
- 458 Seiten - Dtv
Erscheinungsdatum: Dezember 2001
ISBN: 3446198733

Viele Anregungen zu diesem Kapitel stammen aus dem Buch
Simon Singh: Geheime Botschaften

 
Kryptologie = Kryptographie + Kryptoanalyse Online-Shopping, Einkauf mit EC-Karte, Einkauf mit Kreditkarte, Internet - Banking,  Digitaler Fingerabdruck sind nur einige Gebiete, wo Datensicherheit und damit die Kryptologie für unser tägliches Leben wichtig werden. Doch schon der  Lauf der Geschichte hat durch die Kryptologie entscheidende Wendungen genommen, auch wenn das in den Geschichtsbücher nicht immer deutlich gemacht wird. Ohne Kryptoanalyse hätte der 2te Weltkrieg in Europa wohl länger gedauert und man kann darüber spekulieren, ob die Atombomben, die Japan getroffen haben, nicht doch Deutschland getroffen hätten, wofür sie tatsächlich auch vorgesehen waren.
Julius Cäsar 100 v.Chr. - 44 v.Chr.
Cäsar
100 v.Chr. - 44 v. Chr.
Caesar verschlüsselte seine Nachrichten, indem er jeden Buchstaben der ursprünglichen Nachricht durch den Buchstaben ersetzte, der 3 Stellen weiter im Alphabet folgt. 
Wir beschäftigen uns im nächsten Kapitel etwas genauer mit der Cäsarverschlüsselung

Kuriosität am Rande: Noch 1915 verwendeten die Russische Armee im 1. Weltkrieg diese Art der Verschlüsselung, da die Stäbe kompliziertere Verfahren angeblich nicht beherrschten.
 

Maria Stuart 1542-1587
Maria Stuart
1542-1587
Maria Stuarts Briefe aus ihrer Gefangenschaft, die die Verschwörung gegen ihre Cousine Elisabeth absegneten, wurden von ihrem Sekretär mit einer Nomenklatur - einer Kombination von Geheimtextalphabet und Codewörtern - verschlüsselt. Sie bestand aus 23 Symbolen, die für die Buchstaben des Alphabets standen (ohne j,v,w) und 36 Symbolen für Wörter oder ganze Sätze.

Quelle: Singh, Geheime Botschaften

Thomas Phellipes, der extra für diesen Zweck angestellt war, entschlüsselte die Briefe Maria Stuarts, die somit ihr eigenes Todesurteil unterschrieb. Denn ohne die entschlüsselten Briefe hätte es Elisabeth nie gewagt ihre Rivalin zum Tode zu verurteilen. Phellipes ging aber noch weiter und fügte einem Brief von Maria an ihren Anhänger Babington noch die im gleichen, ihm nun bekannten Code verschlüsselte Forderung hinzu, er solle ihr doch noch die Namen der Männer nennen, die an der Verschwörung beteiligt seien, was dieser auch tat. Somit waren alle Verschwörer bekannt und konnten somit gefasst werden. 

Hätte Marias Sekretär die gerade veröffentlichte Abhandlung Vigenères über eine, später nach ihm benannten Verschlüsselungstechnik, gelesen, so hätte Maria Stuart nicht der Verschwörung überführt und deshalb nicht hingerichtet werden können. Sie hätte u.U.  Elisabeth den Thron Englands erfolgreich streitig gemacht und, Maria war Katholikin, die Geschichte Englands wäre sicherlich anders verlaufen, und Friedrich Schiller hätte eine Theaterstück weniger geschrieben. 

In fast allen Kriegen, von denen sichere Zeitzeugnisse vorliegen, wurde Kryptologie verwendet, um Nachrichten über weitere Taktiken, Verläufe und sonstige Meldungen sicher zu übermitteln. Wie häufig durch Kryptologie Schlachten entschieden und Kriege gewonnen wurden, lässt sich im Nachhinein nur schwer, manchmal überhaupt nicht feststellen, doch es ist zu vermuten, dass jede Schlacht und jeder Krieg ohne ein für die jeweilige Zeit sicheres Verschlüsselungssystem schon von vornherein verloren war. 

1. Weltkrieg Die Einnahme Paris‘ durch die deutsche Armee scheiterte daran, dass die französischen Militärs die deutsche ADFGVX-Verschlüsselung geknackt hatten.

Die Amerikaner traten in den 1. Weltkrieg ein, da ihnen das sogenannte Zimmermann-Telegramm  zugespielt wurde, das die wahren Absichten des Deutschen Reichs im Bezug auf den U-Boot-Krieg offen legte. Zimmermann (deutscher Außenminister) hatte sich entgegen den gegenüber den Amerikaner geäußerten Absicht nur einen eingeschränkten U-Bootkrieg führen zu wollen - im zivile Opfer zu vermeiden - von seinen Militärs zum uneingeschränkten U-Boot-Krieg umstimmen lassen. Sein Ziel war, den Weltkrieg schneller und siegreich zu beenden. Die Absichten wurde geheim gehalten um die Amerikaner nicht zu einem schnellen Kriegseintritt zu provozieren. Zusätzlich sollten militärischen Kräfte der Amerikaner durch eine Kriegserklärung von Seiten Mexikos gebunden werden. In einem Telegramm an den mexikanischen Präsidenten sagte Zimmermann Mexiko u.a. finanzielle Hilfe und Zustimmung bei der Annexion von Texas, New Mexico und Arizona durch Mexiko zu, falls Mexiko gegen die USA Krieg führte. Zusätzlich sollte Mexiko die Japaner zum Kriegseintritt gegen die USA überreden, so dass die USA vonb allen Seiten bedrängt worden wäre. Das wegen der Geheimhaltung verschlüsselte  Telegramm wurde vom englischen Geheimdienst abgefangen und von einer Gruppe aus Sprachwissenschaftler, Altphilologen und Kreuzworträtsel - Süchtigen entschlüsselt. Die so gewonnene Nachricht wollte man zuerst nicht an die USA weitergeben, da dies Deutschen gezeigt hätte, dass man ihren Geheimcode kannte, was eine noch kompliziertere Verschlüsselung durch die deutsche Seite und damit ein vorläufiges Versiegen der Informationsquelle bedeutet hätte. Aber nachdem USA trotz des von der deutschen Marine entfachten uneingeschränkten U-Boot-Krieg weiter neutral bleiben wollte, fühlte man sich gezwungen den Inhalt des Zimmermann-Telegramms auf Umwegen den USA zukommen zu lassen. Der englische Geheimdienst nahm an, dass das Telegramm von Deutschland über New York an die deutsche Botschaft in Mexiko und dann weiter an die mexikanische Regierung ging. Der Dienst täuschte nun vor, dass der Inhalt auf seinem Weg in Mexiko gestohlen wurde, und lancierte es in die Presse, so dass die deutsche Absicht allen offensichtlich wurde und die deutsche Seite keinen Verdacht schöpfte, ihr Code sei entschlüsselt. Allen Zweiflern wurde schließlich der Wind aus den Segeln genommen, also Zimmermann ohne Not auf einer Pressekonferenz in Berlin sich als Autor des Telegramms bekannte. Die USA traten in den Krieg ein.



"Es explodiert ihm in der Hand": Karikatur von Rollin Kirby in 'The World' vom 3. März 1917 (vgl. dazu Singh: Geheime Botschaften) General Research Division, The New York Public Library, Astor, Lenox and Tilden Foundations

 

2. Weltkrieg Nach dem 1. Weltkrieg wurden aus Zeitgründen und der Einfachheit halber mechanische Hilfsmittel zur Ver- und Entschlüsselung verwendet. Die berühmteste aller „Verschlüsselungsmaschinen“ ist die Enigma, die von der deutschen Wehrmacht im 2. Weltkrieg eingesetzt wurde.
Die Enigma (griechisch: Rätsel) bedient man wie eine Schreibmaschine. Man drückt einen Buchstaben den man verschlüsseln will und auf der Anzeige leuchtet ein Lämpchen bei dem Buchstaben auf, der den verschlüsselten Buchstaben darstellt.
Im Inneren enthält eine die Enigma je nach Version 3-5 Rotoren, die jeweils 26 Einstellmöglichkeiten haben. Wird ein Buchstabe eingetippt so wird durch den Kontakt ein Stromkreis geschlossen, der durch die Rotorstellungen definiert ist. Der Strom fließt dabei durch ein Lämpchen, das unter einem "Code-Buchstaben" und lässt dieses aufleuchten. Der verschlüsselte Buchstabe wird beleuchtet.

Die Abbildung rechts zeigt den Schaltplan der Enigma: Alle Rotoren sind durch elektrische Kontakte unregelmäßig untereinander verbunden. Nach jeder Eingabe verändert sich der erste Rotor um eine Stelle und wenn dieser wieder am Anfang angekommen ist so verändert sich der nächste Rotor auch um eine Stelle usw., so dass der Strom immer einen anderen Weg durch die Walzen nimmt und schließlich auch immer wieder ein anderes Lämpchen zum Leuchten bringt. Die Enigma zeichnete sich durch eine sehr große Periodendauer aus (bei 5 Rotoren beträgt die Periodendauer  265=118.881.376 Eingaben).  Die letzte Walze hat die Funktion eines Reflektors, sie lenkt den Strom noch mal durch alle Walzen in umgekehrter Reihenfolge. Zur Ver- und Entschlüsselung benötigt man 3 Angaben: Die Grundstellung der Rotoren vor der ersten Eingabe, die Lage der einzelnen Rotoren und die Steckverbindungen mit denen man einzelne Buchstaben untereinander vertauschen konnte. Um eine Nachricht wieder zu Entschlüsseln stellt man die Enigma nach oben genannten Kriterien (Schlüssel) ein und gibt die verschlüsselten Buchstaben ein. Es leuchten daraufhin die entschlüsselten Buchstaben auf.
 

Entschlüsselung der Enigma

Marian Rejewski

Schon 1932 hatte der damals 27 jährige Pole Marian Rejewski die damalig Version der Enigma geknackt und sogar eine Maschine konstruiert, die diese Arbeit nach entsprechenden Voreinstellungen übernimmt, die sogenannte Bombe. Als die Deutschen jedoch die Anzahl der Rotoren von 3 auf 5 erhöhten, war auch er machtlos. Die Polen wandten sich daraufhin an die Engländer, die es mit Hilfe ihrer Infrastruktur (Bletchley Park: Die Gruppe der Entzifferer setzte sich  Schachspielern, Kreuzworträtsel-Freaks, Linguisten und Mathematikern zusammen). Einer der führenden Köpfe war Alan Turing.

Al Turing
1912-1954

Turing hatte Mathematiker in Cambridge studiert, und hatte sich dabei intensiv Grundlagen der Logik und Mathematik (im Umfeld von Bertrand Russel, Ludwig Wittgenstein) auseinandergesetzt. Er erfand eine virtuelle Maschine (Turing Maschine) die Algorithmen ausführen kann. Er stieß dabei u.a. auf Probleme wie Berechenbarkeit und Unentscheidbarkeit (Gödel), legte die Grundlagen zur Komplexitätstheorie. Er gilt also Vater der theoretischen Informatik. Als er 1952 der Polizei einen Einbruch meldete und dabei seine Homosexualität preisgab, kam es zu einer Anzeige wegen "grober Sittenlosigkeit", die in einer Haft endete. Der Status eines Geheimnisträgers wurde ihm entzogen und Forschungsaufträge wurden ihm weggenommen. Er wurde gedemütigt und verübte Selbstmord.
 

  Unter Zuhilfenahme des ersten Prototyps eines modernen Rechners, er wurde Colossus genannt, gelang es den von Enigma erzeugte Code zu knacken. Zu bemerken ist, dass keiner der Forscher eine Ahnung von der Bauweise der Enigma hatte. Welche Auswirkung die erfolgreiche Entschlüsselung des Enigma-Codes auf den Ausgang und den Verlauf des Krieges hatte, ist nur zu erahnen. Die Deutsche Wehrmacht hat bis Ende des Krieges nicht gewusst, dass ihr Code entschlüsselt war. Experten rechnen, dass der 2te Weltkrieg bis zu 2 Jahre länger gedauert hätte, hätte man die Enigma nicht entschlüsselt. So war dadurch der U-Boot-Krieg, der Krieg in Ost-Afrika und in Stalingrad wesentlich beeinflusst. "Erleichtert" wurde das Knacken des Enigma-Codes durch die allzu sorglose Wahl von Codewörtern deutschen Wehmacht. 1942 konnte Turing die neue U-Boot-Enigma nicht entschlüsseln, was sofort desaströse Verluste der Alliierten im Atlantik zur Folge hatte.
 
zu 33.2 Eine kleine Systematik
zur Startseite www.pohlig.de  (C) MPohlig 2004