Die Caracalla-Thermen
Sonett für Giovanni da Pistoia



In diesem Elend wuchs mir schon ein Kropf, so wie den Katzen im
Lombardenreich vom Wasser, oder wo auch sonst noch gleich,
so dass der Bauch zu haften scheint am Kropf.
Der Bart steht himmelan, es waechst der Schopf am Buckel fest, die
Brust Harpyien gleich, mein Pinsel, abwaerts traeufelnd, farbenreich
bemalt mit Mosaik mich armen Tropf
Die Niere presst sich in die Brust; das Kreuz drueck ich heraus,
im Gleichgewicht zu stehen, der Fuss, den nicht das Auge lenkt,
geht quer
Vorn laengt sich mir die Haut und andrerseits kürzt sie im Rückem sich
vom Einwaertsdrehn, gekruemmt wie'n Syrer-Bogen atm'ich schwer.
Nun wird auch mehr und mehr mein Urteil schief,
im schiefen Haupt erzeugt; aus krummem Rohr schiesst fehl man
allzuleicht.
Drum, Freund, steh du mir bei, und sag der Welt,
dass ich kein Maler sei, und nicht am rechten Platz; das sage frei!


Michelangelo's Sonett fuer Giovanni da Pistoia
den Kanzler der Florentiner Akademie, von 1509/10,
als Michelangelo in der Sixtina arbeitete